Wir Wirbeltiere
Im großen Reich der Wirbeltiere
regiert der Mensch, wie ihr wohl wisst,
was nicht beweist, ich konstatiere,
dass er deshalb der Größte ist.
An Länge wird er leicht geschlagen
von Nilpferd oder Elefant,
und im Gewicht, dass muss man sagen,
spielt ihn der Wal glatt an die Wand.
Mike Powell sprang einst fast neun Meter.
Viel weiter springt das Känguruh.
Und würdevollster der Vertreter
des Tierreichs ist der Marabu.
Es springt der Mensch als Hochsprungsieger
zwei Meter vierzig maximal.
Darüber lacht jedoch der Tiger,
denn er verdoppelt diese Zahl.
Es schwang vor Tausenden von Jahren
sich in die Luft der Ikarus,
doch ist ihm Böses widerfahren.
Er stürzte bald in einem Fluss.
Das kann dem Adler nicht passieren.
Er segelt spielend stundenlang.
Und Schwalben sieht man defilieren
pfeilschnell vorbei im Überschwang.
Auf den Gewässern kann bewegen
der Mensch sich nur im Äppelkahn,
ganz ohne solchen schwimmt hingegen
der schwarz-weiß-rote Höckerschwan.
Im Wasser sieht man leicht verdrängen
die Fische alle Menschenheit.
Der Hering schlägt sie auch mit Längen
an Anzahl und Geselligkeit.
Viel wendiger ist jede Schlange
als selbst der beste Akrobat.
Auch wird dem Menschen angst und bange
vor ihrem Giftzahnapparat.
Der Bär ist haushoch überlegen
bekanntlich ihm an Körperkraft.
Als kühner gilt und sehr verwegen
der Leopard unzweifelhaft.
Der Mensch denkt schließlich voller List,
dass sein Gehirn am größten ist,
doch darin überbietet ihn
sogar der herrliche Delphin.
So steht man plötzlich ganz entblättert,
gar schnöd beraubet jeder Zier
und denkt sich schließlich, arg zerfleddert:
man ist halt nur ein Wirbeltier.
Und dennoch fühlt man sich gewöhnlich
fast wie auf einem Narrenschiff,
denn dieser Mensch ist unversöhnlich
und hält die Welt im Klammergriff.
(Trutzhart Irle)
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