tapfere Mädel benutzte diesen Augenblick um ins Haus zu fliehen. Sie schrie auf in Entsetzen, als sie an dem erschlagenen Briefträger vorbeirannte, sie flog die Treppe herauf, immer mit Kathrins gellendem Schreien im Ohr: "Schließ dich ein, schließ dich ein." Die Tür zu Ihrem Zimmer aufgerissen, zugeschlagen und den Schlüssel herumgedreht war das Werk einer Sekunde, dann sank sie halb bewusstlos vor Angst an der Tür in die Knie: Lieber Gott, was war das gewesen? Kathrin schrie noch immer: "Schließ dich ein, schließ dich ein." Sie lag halb aus dem Fenster, hielt sich mit dem Arm am Fensterkreuz. Mochte der Kerl kommen und sie totschlagen, nun war alles gleich, wo es um das Kid ging.
Das Mädchen erhob sich mit zitternden Knien und trat ans Fenster: "Kathrin, liebe, liebe Kathrin", schluchzte sie zu der Alten hinüber; "Hilfe, Kathrin, Hilfe", schrie sie plötzlich laut, als sie den Knecht die Treppe heraufpoltern hörte. Der trommelte gegen die Tür, dass es im Zimmer dröhnte, aber die Tür war aus gutem Holz, hielt seinem Toben stand. Gretel hörte ein paar böse Flüche, aber zugleich auch wieder Kathrins Stimme aus dem gegenüberliegenden Haus: "Verstell die Tür, Gretel, stell' Möbel davor, alles was du hast, Gretel." - Das Kind war erst 12 Jahre, aber Angst und Entsetzen verliehen ihr ungeahnte Kräfte. Sie presste sich zwischen Wand und Schrankseite und schob, Knie und Arme gegen die Wand gestützt, ihren Kleiderschrank von der Seite her vor die Tür. Gottlob, das war geglückt! Sie lief ans Fenster, um weinend wieder nach Kathrin zu rufen, da sah sie den Knecht aus dem Hause stürzen und in der Werkzeugkammer verschwinden. - Auch Kathrin sah ihn dorthin stürzen, wie ein Blitz durchfuhr es sie: Er holt die Axt. Von Angst geschüttelt und geschwächt sank sie zurück in ihren Stuhl, oh ihr Traum, ihr böser Traum! Gretel im Feuer, Gretel in höchster Gefahr! Wenn keine Hilfe kam, brachte der Mensch das Kind um; Gott im Himmel, gab es denn keine Rettung? Sie stöhnte auf, Schweiß stand auf ihrer Stirn, ein Blick aus dem Fenster belehrte sie, dass der Knecht soeben mit dem Beil über den Kopf zurückgelaufen kam. Da, in höchster Angst, fiel es plötzlich wie Schuppen von Kathrins Augen, ihr Traum: Gretel im Feuer! - Das Feuer hatte das Kind nicht berührt!! Es hatte das angstvolle Gesicht des Mädchens hell erleuchtet, ganz, ganz hell, allen wahrnehmbar! - Das Feuer war Hilfe für das gefährdete Kind!!
Als Kathrin sich mit äußerster Anstrengung auf ihre lahmen Füße stellte, wusste sie genau was sie tat, sie sah den Weg zur Rettung des Mädchen genau vor sich. Zwar schlug sie sofort hin auf den Fußboden, die Füße gehorchten nicht ihrem Willen, aber das machte nichts. Auf den Knien rutschte sie an den Tisch, zog mit der Tischdecke die Petroleumlampe zu sich herab, dass sie in Scherben ging; tupfte in wimmernder Eile die Decke in ihr hochgetürmtes Bett. Dann kroch sie auf Knien und Händen ans Bett, riss mit zittrigen Händen die Nachttischschublade heraus, fand die gesuchte Streichholzschachte und entflammte in rasender Eile Streichholz auf Streichholz, sie in ihr Bett schleudernd. Im Nu stand die Tischdecke und dann das ganze Bett in Flammen, Kathrin fuhr zurück auf den Fußboden, ihre Hand hatte