hocherhobenen Pfoten ein Stückchen Holz balancierend und versuchend mit den kleinen spitzen Zähnen davon abzubeißen. Man sieht of hübsche, spielende Porzellankätzchen in den Schaufenstern und nun so etwas in Natur, wenn auch lebloser! Die Idee ist gut, man behält das Kätzchen so lieb wie es war und die Erinnerung bleibt leibhaftig bis in spätere Jahre.
Aber wer sollte es töten? Ein schrecklicher Gedanke. Ihm das vergiftete Essen hinstellen, es dann locken und streicheln? Bein, unmöglich. Was hat man doch für sonderbare Gedanken, man will eine kleine Katze töten, weil man sie liebt. Und den beiden Kindern einen großen Schmerz zufügen, um ihnen eine lange Freude zu erhalten. Wie seltsam und abwegig. - Fort damit, es muss alles kommen wie es kommt, zurück zum heute - und nun ist auch Abend geworden.
Die Frau stand auf, packte die Strümpfe fort und ging mit ihren schnellen leichten Schritten in die Küche, das Abendessen für die kleine Familie zu richten.
In der Nacht tobte der Sturm, aber als der Morgen kam, kroch Frau Sonne aus ihrem Wolkenversteck hervor und lachte freundlich auf die weiße Erdenwelt hernieder. Die Mutter schaufelte einen schmalen Weg durch den Schnee zum Stall, sie wollte das Kätzchen holen und ihm in der Küche warme Milch zu trinken geben. Sie schloss die Tür auf und trat in den Stall. - Kein Kätzchen -, sonst sprang es doch gleich hervor, wenn es den Schlüssel im Schloss knarren hörte? Oder sollte es noch so fest schlafen, sich so hineingemummelt haben in sein weiches Lager, dass es nichts sah und hörte? Sie ging leise auf das Lager zu - es war lee-. Nun wurde sie doch unruhig, was war denn? Hastig wanderten ihre Augen durch den Raum. - Da, dort hinten, an den breiten Holzkloben lag das Kätzchen - still, unbeweglich. Der Frau blieb fast das Herz stehen vor Entsetzen, mit lahmen Knien ging sie auf das kleine Wesen zu: Dass Kätzchen war tot! - Es lag auf dem Rücke, streckte die Hinterbeine in die Luft und hielt mit seinen beiden Pfoten einen fingerdicken Knochen, der ihm so tief in der Kehle saß, dass es daran erstickt war. - Wie sollte doch die Stellung der kleinen ausgestopften Katze sein? - Auf dem Rücken liegend, mit hocherhobenen Pfoten ein Stückchen Holz balancierend und versuchend mit den kleinen spitzen Zähnen davon abzubeißen. - Großer Gott, wie war das möglich? Kann man denn durch Gedanken töten? - Es war an dem Knochen erstickt, das war klar, aber genau nach den Gedanken der grübelnden Frau - die Stellung - wahrscheinlich aus dieselbe Stunde am Spätnachmittag? Denn es war kein Fünkchen von Leben mehr in dem Tier, ganz steif und kalt lag es da. - Wie war es gewesen? - M a n m ü ß t e e s j e t z t t ö t e n ! - A b e r w e r s o l l e s t ö t e n ? - Ohne eines Menschen Hand und doch genau nach den Gedanken eines Menschen war das Kätzchen gestorben - welch' unheimliche Vorgänge!
Das Kätzchen wurde unter den Tränen der Kinder in die harte Erde eingegraben, ein Häuflein Erde und Schnee wurde darüber aufgeschichtet und es gab einige kummervolle Tage im kleinen Hause. Was aber nicht mit in die Erde eingegraben werden konnte, das war das verstörte Herz der Mutter - es steht vor der großen Pforte des Schweigens und fragt und grübelt: Wie war dieses möglich? - Habe ich
wirklich mit meinen Gedanken das Kätzchen getötet? - Oder gibt es Zufälle, solche haargenauen Zufälle im großen Geschehen des Lebens und Sterbens?
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