Lyrik und Poesie
- Geschichten und Erzählungen -

Das Bernsteinkind

Fortsetzung der Geschichte: Seite 4 - Das Bernsteinkind -

Teil 4 - Bernstein


- Fortsetzung: Seite 4 - Zum Anfang der Geschichte

Der Fischer sprang hinzu und zog das Netz zusammen. Da lag es ganz still.

Der Mann trug das leichte Bündel ins Boot und legte es dort nieder. Die Netzleine befestigte er zur Sicherheit an der Bank. Nun konnte das Mädchen nicht entfliehen. Hastig griff er nach seinem Sack. Er musste sich beeilen, noch lagen die Steine im Sand, noch leuchtete das Meer. In rasender Eile sammelte er in den Sack, und fast einen zweiten noch füllte er. Dann erlosch das Meer, das Leuchten versank.
Der Fischer hockte sich neben seine Säcke ins Boot. Er war zufrieden mit sich. Er würde nicht mehr arm sein. Das Meerkind würde tanzen für ihn und er würde reich sein an Bernstein und Geld. Alle Not würde zu Ende sein. Vor ihm im Schatten des Bootes lag die helle Gestalt des Bernsteinkindes. Oh, er würde ihm kein Härchen krümmen, würde ihm nichts Böses tun - nur eben - es würde gefangen bleiben bei ihm. Daran müsste es sich gewöhnen. So wachte der Fischer die ganze Nacht neben seinen Steinen und seiner Gefangenen. Als die Morgendämmerung kam, sprang er aus dem Boot und begann emsig zu schaffen. Bald war eine kleine Holzhütte fertiggebaut, in die hinein trug er das Meerkind. Nun erst löste er das Netz von dessen zarten Gliedern und bettete es auf das weiche Graslager, das er in der Ecke bereitet hatte. Auch versuchte er, dem Kinde Milch zu trinken zu geben und Brot zu essen. Doch das Mädchen schaute ihn nur still und stumm mit seinen grünen Meeraugen an. Es machte keine Bewegung und zeigte keine Empfindung, es blieb still und stumm wie ein Fisch. Bevor sich der Mann zum Gehen wandte, breitete er eine warme Decke über das Kind, damit es nicht friere. Draußen legte er einen schweren Riegel vor die Tür, nahm seine beiden Säcke über die Schulter und stapfte über die Dünen seinem Hause zu.
Nun begann ein trauriges Treiben des Nachts am Strande.
An langer Kette musste das Meerkind tanzen. Das Ende der Kette hielt der Fischer in der Hand. Der Wind sang dazu und die Wellen rauschten, und das Kind hob das Gesichtlein in endloser Traurigkeit zum Nachthimmel empor. Ob Wolken über dem Meer hingen oder ein klarer Himmel darüber stand, ob das Meer von innen heraus leuchtete oder ob Mond und Sterne es beglänzten, das Bernsteinkind musste tanzen und tanzen. Die Steine zu seinen Füssen funkelten, und der Fischer bückte sich und rutschte auf den Knien und sammelte gierig den Reichtum in seine Säcke. Sieben Nächte tanzte das Mädchen. Sieben Nächte sammelte der Mann. In dieser siebten Nacht blieb es plötzlich stehen, breite die Arme und sandte einen hellen, klagenden Ton über das Meer. Einmal rief es und noch einmal.
Das war es, als wenn das Meer für eines Herzschlags Länge erstarrte. Die Wellen hielten an auf ihrem Weg, ihr Rauschen erlosch. Selbst der Wind verharrte in Stille. Dann hob sich aus der Erstarrung des Meeres eine Welle hoch empor, stand einen Augenblick wie ein weißer Geist und sank alsdann wieder in sich zusammen. Der Fischer hockte wie gebannt im Sand. Das Mädchen aber tanzte weiter bis ins Morgengrauen.