über das weiße Land gekrochen, so stand Stanislawa vor der Tür nach ihrem langen Soldaten Ausschau haltend, oder sie saß in der Stube am Fenster und hauchte kleine runde Gucklöcher in die Eisblumen der zugefrorenen Fensterscheiben, um die Dorfstraße überblicken zu können. Die Alte, die von ihrem zerschlissenen Sessel aus, den sie nur verließ und in dem sie auch nachts schlief, dem Tun des Mädchens zuschaute, nickte mit stillen Augen vor sich hin. Das Mädchen würde auch seinen Weg gehen, konnte auch seinem Schicksal nicht entrinnen, einer würde ja immer der Erste sein und der Deutsche hatte gute Augen. Stand dann die alte Petroleumlampe auf dem Tisch und warf einen matten, gelblichen Schein in den Raum, so ging eine mühsame und doch sehr lustige Unterhaltung zwischen den beiden jungen Leuten an. Stanislawa lernte begierig deutsche Worte und wiederum Heinrich Petersen lernte russische Laute verstehen und sprechen. Des öfteren brachte er Brot mit, um dafür Eier und Milch einzutauschen; im Dorf herrschte seit dem Einzug der Artilleristen reger Tauschhandel mit diesen Waren. Einmal, als Heinrich kam, lag ein Päckchen Tabak auf dem Tisch. Stanislawa stand mit glänzenden Augen daneben und schob es ihm schüchtern lächelnd entgegen. Er griff voller Freude nach dem Tabak und zugleich nach ihrer Hand und hielt sie fest. "Für mich?" Lachte er und freute sich wie ein großer Junge; "ja", nickte sie strahlend wieder. Da konnte er gar nicht anders, da zog er sie in seine Arme und küsste sie mitten auf den Mund. Sie hielt ganz still, lag wie ein kleiner, gefangener Vogel an seiner breiten Brust, die dunklen Augen schimmerten vor Glück und Liebe. Heinrich ließ das Mädchen frei, schaute erwachend zur alten Annuschka hinüber, aber die saß mit geschlossenen Augen, mochte wohl schlafen. Da zog er das Mädchen neben sich auf die Bank nieder, legte den Arm um sie und suchte nochmals ihren Mund. An diesem Abend lernten die beiden eine andere Art deutsche und russische Worte, wenn auch nicht übermäßig viel zwischen ihnen gesprochen wurde. "Stanislawa, dies Herz", er zeigte auf seine Brust, "gehört dir". "Ja", flüsterte sie selig. "Du sein mein deutsches Soldat."
Am nächsten Tage kam er unerwartet schon am Morgen zu ihr und fand sie zu seiner Überraschung und Freude allein. Die alte Annuschka war zu den Nachbarleuten gegangen, wie sie es häufig am Vormittag tat. Stanislawa stand am Herd, als er eintrat und rührte in einer dicken Suppe. Schnell zog sie den Topf vom Feuer, setzte einen Wasserkessel auf und kam ihm mit glücklichem Gesicht entgegen. Es benahm ihr wirklich den Atem wie er sie begrüßte, sie musste beide Hände gegen seine Brust stemmen, um nicht unter seinem Atem zu ersticken, doch dann legte sie den dunklen Kopf an seine Schulter und blickte ihn mit unsagbar zärtlichen und demütigen Augen an. Heinrich schoss das Blut zum Herzen, wieder presste er das Mädchen an sich und küsste sie auf Augen, Mund und Hände, dann mit einer raschen Bewegung, hob er sie empor und trug sie in die Nische, wo hinter dem geblümten Vorhang ihr Mädchenbett stand.