Lyrik und Poesie
Eine wahre Geschichte - Stanislawa Geschichten und Erzählungen - Altes Buch

Eine wahre Geschichte

- Stanislawa -

Diese Geschichte hat sich tatsächlich so ereignet. Sie wurde mir von meinem Vater erzählt.

Pferde im Moor
Der Unteroffizier Heinrich Petersen schlenderte durch die verschneite Dorfstraße des kleinen russischen Dorfes. Er hatte die Hände tief in die Manteltaschen vergraben, den Kragen hochgeschlagen und die feldgraue Mütze so tief wie möglich über den blonden Kopf gezogen. Das war ja eine verdammt kühle Angelegenheit in diesem Lande, seit der Winter eingezogen war, und dieser Schnee, dieser ewige Schnee - es war ungemütlich hier. Er blieb stehen, blickte missmutig um sich; auch diese Katen, diese ärmlichen Behausungen der russischen Bauern erregten heute sein Missfallen - da sah doch ein mecklenburgisches Bauernhaus anders aus, machte ein mecklenburgisches Dorf doch einen anderen Eindruck als diese wahllos zusammengestellten Bretterbuden. Ja, Mecklenburg, dachten er mit einem kleinen Seufzer, da sangen sie zu Hause bald Weihnachtslieder und Mutters schöner brauner Honigkuchen stand sicher schon angerührt in einem warmen Winkel zum "gehen". Ärgerlich zog der lange Unteroffizier die Schultern zusammen, diese Gedanken musste man hübsch säuberlich beiseite legen, sonst taugte der Krieg nicht mehr. Er stapfte weiter durch den Schnee bis ans Ende des Dorfes, wollte gerade umkehren, als er etwas Buntes hinter einer Schneewehe gewahrte, das dort bald hier - bald da auftauchte und verschwand. Er blieb stehen, etwas Buntes in dieser schwarz-weißen Landschaft? - dass musste noch festgestellt werden. Er ging mit seinen großen Schritten um die Schneewehe herum und guckte vorsichtig um die Ecke. Aha, ein Bauernmädchen mit einem bunten Kopftuch war es, die dort umherging, sie ging gebückt und schien etwas im Schnee zu suchen. Ab und zu richtete sie sich auf, fuhr mit der Hand nach den Augen, um dann wieder eifrig weiter zu suchen. Sie war sehr klein, schien noch sehr jung zu sein, trug einen dicken, plumpen Mantel, unter dem ein derber, grellgestreifter Bauernrock hervorsah. Petersen hatte sich bisher noch nicht für Bauernmädchen interessiert, die Kameraden hatten ihm mit ihren losen Redereien etwas den Geschmack daran verdorben - so hatte er sie gemieden. Er wollte gerade unbemerkt um die Schneewehe verschwinden, als sich das Mädchen nach ihm umwandte, ihn mit großen Augen erschreckt anstarrend. Irgend etwas im Gesicht des Mädchens war es, das ihn zwang, stehen zu bleiben, irgend etwas an ihr rührte ihn, so dass er näher trat und sie fragte, was sie suche. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, sie sagte ein Wort, das er nicht verstand, sie deutete mit der Hand auf ihre Brust, machte das Kreuzeszeichen, um dann wieder unter Schluchzen das eine Wort zu sagen. Heinrich Petersen stand der Sache anfangs hilflos gegenüber, er wusste wohl einzelne russische Worte, die zum täglichen Kriegführen gehörten, aber dieses Wort da stand nicht in seinem Vokabelschatz. Er nickte dem Mädchen begütigend zu, tat so als wenn er sie vortrefflich verstanden hätte und begann nun seinerseits gebückt über den Schnee herumzugehen. Das Mädchen hatte vertrauensvoll zu seiner Länge heraufgesehen, nun ging sie neben ihm, das ihm unbekannte Ding zu suchen. Nicht lange dauerte es, da sah er das Ende eines recht abgenutzten Bindfadens aus dem Schnee herausgucken, er griff danach und