Lyrik und Poesie
- Erzählungen -

Stanislawa

Teil 5 - Stanislawa -

Pferde im Moor
ein Lächeln, das aber herzzerreißend wirkte. Als er wieder auf der Dorfstraße stand, drehte er sich noch einmal nach ihrem Haus zurück, da stand sie unter der Tür und schaute ihm unbeweglich mit tränenlosen Augen nach. Er winkte noch einmal, sie hob matt die Hand, dann schloss sich die Tür hinter ihr. Am Abend rückten die mecklenburgischen Artilleristen ab, in strenger Ordnung rollten die einzelnen Abteilungen durch die Dorfstraße, an der zu beiden Seiten vor ihren Häusern die Bewohner standen und lebhaft winkten. Die Deutschen hatten sich viele Freunde unter den Dorfleuten erworben, die Russen verstanden eigentlich nicht recht, warum man mit den ruhigen und freundlichen Deutschen Krieg führen müsse. Eine Stunde vom Dorf lag an einem Waldstück die Station, auf der der Transportzug erwartet wurde. Die Truppe machte im Walde halt, saß ab von den Pferden und Fahrzeugen, nun erst kam die Entspannung nach dem Hasten und der Unruhe des ganzen Tages. Die Leute standen neben ihren Pferden, lehnten an den Wagen und Geschützen, warteten auf das Einladen in den Zug. Stunde auf Stunde verrann, der Zug kam nicht. Die Dämmerung wurde zur Dunkelheit, schwer hing der Himmel über ihnen, nur der Schnee leuchtete weiß und gab eine matte Heiligkeit in die schwarze Landschaft. Die Unterhaltung zwischen den Leuten schlief langsam ein, müde und gelassen lehnten sie an den Wagen, einige flüsterten von Weihnachten. Plötzlich waren mit einem Schlage die Mannschaften hellwach, was war das? Ein deutsches Weihnachtslied klang durch den nächtlichen, russischen Wald, ein liebes deutsches Weihnachtslied tönte aus junger Kehle zu den Kameraden hin. Ein ganz junger Artillerist hatte es angestimmt, ein Junge, der meinte, dass zum Heiligabend immer ein Weihnachtslied gehörte, ganz gleich wann und wo es wäre. Einige der ihm zunächst stehenden fielen in das Lied ein, dann sangen alle mit. "Stille Nacht, Heilige Nacht" tönte es durch den schweigenden Wald, durch den die weißen Flocken auf die singenden deutschen Soldaten hernieder fielen. Stille Nacht, Heilige Nacht, nun standen sie zu Hause um den Weihnachtsbaum, hielten sich bei den Händen und dachten an ihren Sohn, ihren Vater oder Bruder im Felde. Manch einem der Soldaten kam statt des Singens ein schluchzender Ton aus der Kehle, manch einer legte sein Gesicht an den treuen Pferdehals oder drehte seinen zuckenden Mund hinweg. Heimweh am Heiligabend, wer brauchte sich wohl dieses Gefühls zu schämen? Heinrich Petersen stand bei seinem Pferd, hielt die Zügel umklammert und blickte singend hinauf in den schwarzen Himmel. "Mutter", dachte er, "Mutter, du singst mit den Geschwistern jetzt auch ein Weihnachtslied, bist bei ihnen am brennenden Baum und bist doch mit deinem Herzen bei mir hier draußen. Mutter, ich danke dir für alle deine Liebe, ich danke dir für alles was du an mir getan hast; lass' nur erst den Krieg zu Ende sein, Mutter, dann komme ich wieder heim zu