vor 13 Jahren, seit dem Mord an dem Dompropst. Eurem Groß-Ohm Thomas Rhode, - seit der Hinrichtung Hans Runges und seiner Gesellen, - seit dem hat die Kirche viel Gewalt in der Stadt. Wir haben an die 400 Pfaffen in unseren Mauern, und sie stehen unter fürstlichem Schutz. Die Rostocker Bürger sind froh, dass sie endlich Frieden haben mit Herzog und Kirche! Glaubt Ihr, dass wir um einer einzelnen Jungfer willen wieder Feuer und Tod über unsere Stadt bringen wollen?"
Michael Rhode taumelte aus der Tür. Hier war keine Hilfe. Der Nächste, zu dem er ins Zimmer trat, war weniger rundlich und geruhsam als der Bürgermeister.
"Ihr seid im Recht, Junker Rhode! Es ist ein himmelschreiendes Unrecht, was da begangen werden soll! Wie aber kann man helfen? Mit Gewalt? Ausgeschlossen! Wir können es nicht riskieren, uns wiederum den Bannfluch aufzuladen! Mein Gott, die Jungfer! Wir wissen ja alle, wie die Pfaffen es in der Stadt treiben. Die frommen Nönnchen auf dem Beguinenberg, wie man schon sagt: auf dem Rammelsberg, liegen keine Nacht allein auf Ihren Kissen! Ha, Ha, Ha! Auch in dieser Stadt, höre ich, sollen sie von Frauen und Mädchen über angesehen werden! Aber was wollt ihr machen? Wir im Rat haben genug zu tun, Ruhe und Frieden in unsern Mauern zu halten. Wir können für Eure persönliche Sache nicht unsere Köpfe riskieren, Junker!"
Der Dritte, ein sehr alter, dürrer Ratsherr, dessen Knie von einer Decke wärmend umschlagen war, schaute von seinem Sessel zu dem verzweifelten Michael empor.
"Ihr sagt, es handelt sich um ein persönliches Ränkespiel? Der Gaukler hat euch über alles genau informiert? Unter uns, Junker: es handelt sich bei den Pfaffen meist immer um persönliche Dinge. Gewisse, sie haben eine mächtige Leitung über sich, aber im Schatten dieser Führung tobt jeder sich persönlich nach Willen und Wünschen und Kräften aus. Es ist nicht das erste Mal, Junker, dass ein Bürgermädchen so oder so das Opfer der Pfaffen wird. Aber, Junker Michael, die Kirche ist zu groß geworden in unseren Mauern, mit einem Gewaltstreich können wir nichts mehr ausrichten! Eine Hilfe jedoch, so will es mir scheinen, gibt es noch für euch und Eure Verlobte! Bekämpft die Pfaffen mit ihren eigenen Waffen! Wo Recht gebrochen wird, - wo Gewalt töricht wäre, - da hilft noch eines: die List!"
Ein Fünkchen Hoffnung war in Michaels Herz geflogen, als er diesen erfahrenen Ratsherrn verließ.
in feierlicher Prozession den inneren Kreis. Sie blieben vor dem Mädchen stehen. Der vordere Priester war reich gekleidet, es schien ein hoher Würdenträger zu sein. Der Fackelschein ließ sein Gewand in Gold und Rot aufleuchten. Hinter diesem Priester stand eine Anzahl Mönche.
Alle diese Gestalten sah Anne wie im Nebel. Eine ungeheure Erregung bemächtigte sich ihrer. Musste sie wirklich sterben? Gab es keine Rettung? Ließ der Große Gott über der Welt solches zu, wie an ihr getan wurde?
Eine Lähmung ergriff sie. Ihre Knie begannen zu zittern. - Hilft mir kein Mensch in meiner Not? Gibt es wirklich keine Gerechtigkeit auf Erden? Warum muss ich solches leiden? Annes Gedanken begannen sich zu verwirren. Tausenderlei Fragen - Bilder, - Ängste durchzuckten ihr Gehirn in Todesnot. Dazwischen erreichten sie einzelne Worte des Priesters, der mit weiter Ferne Worte: Teufel, Versuchung, Kindersterben .....
Sie begriff dumpf, dass sie einem ungeheurem Wahnsinn zum Opfer gebracht werden würde. Ihre blicke irrten in Todesangst umher. Dort das schwarze Wasser, das auf sie wartete; dort die Mönche, ihre Todfeinde - und hier neben ihr, sie gewahrte ihm erst jetzt in eisigem Entsetzen, der riesenhafte Büttel mit seinen Knechten.
Gott im Himmel, Gott im Himmel! Gib mir Kraft - ich kann nicht mehr! Mit letzter Anstrengung hielt Anne sich aufrecht.
Warum machte sich unter dem Volk eine Unruhe bemerkbar?
Die in den letzten Reihen des Zuschauerringes standen, drehten die Köpfe rückwärts und lauschten.
Was für ein Ton gesellte sich plötzlich der weithin schallenden Stimme des Priesters zu? Ein Ton, spitz und scharf! Auch die Mönche hörten ihn. Vorsichtig drehte der eine und der andere den Kopf. Die Knechte im Kreis reckten die Hälse nach dem Störenfried dieser morgendlichen Amtshandlung.
Ein helles Wiehern, vielleicht auch ein Gelächter, scharf und grell, tönte aus der Richtung des Steintores unter den Bäumen hervor. Es schien sich schnell zu nähern, brach ab, um schrecklich und grell wieder hörbar zu sein: Hei-he, hei-he!
Selbst der Priester mit dem erhobenen Kreuz hielt inne in seiner Anklagerede. Unwillig drehte er sich um.
Da kam es unter den Bäumen hervorgestürmt! Sprengte in rasendem Galopp um die Rundung der Bastion, hielt auf die Richtstätte zu!
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